Sven Hölzel

Rede des Alterspräsidenten Sven Hölzel

Am Donnerstag, den 29. April 2021,  hat unser Stadtverordneter Sven Hölzel eine viel gelobte Rede als Alterspräsident der neuen Stadtverordnetenversammlung gehalten.
Hier können Sie diese in voller Länge nachlesen:

„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen,

zur Konstituierung der neuen Stadtverordnetenversammlung begrüße ich Sie recht herzlich. Sie haben sich bereit erklärt, ehrenamtlich zum Wohle der Stadt Idstein tätig zu sein und sind in freier, demokratischer Wahl durch das Wählervotum bestimmt worden, in der Stadtverordnetenversammlung und den durch sie legitimierten Gremien im gesetzlich festgelegten Rahmen, nach besten Kräften tätig zu sein.

Wir alle möchten bestimmte Ziele erreichen. Keine Partei hat die absolute Mehrheit, muss also für die eigenen Ideen werben und zu überzeugen suchen. Das wird nicht immer von Erfolg beschieden sein. Subjektiv gesehen, mag dies schade sein, objektiv ist dies gelebte Demokratie! Für die nächsten Jahre ist die bestimmende Kraft in Idstein keine Partei, sondern wir alle hier in der Stadtverordnetenversammlung!

Akzeptieren und begrüßen werden dies alle, die Vielfalt lieben, die in Verschiedenheit keine Bedrohung, sondern Anregung sehen und im Austausch mit anderen die eigene Meinung optimieren möchten. Das wird häufig zu Kompromissen führen, was in der konkreten Situation durchaus die beste Lösung eines Problems darstellen kann. Nicht immer geht es um „Entweder oder“ sondern um „Sowohl als auch“ oder „Keins von beiden“, vielleicht auch um etwas ganz „Neues“, Weiterführendes! Diese Form des Denkens hilf Brücken zu bauen, statt Gräben zu vertiefen, hilft Empathie zu leben, das Verbindende zu suchen und dennoch die Unterschiede zu akzeptieren.

Dieser konstruktive Umgang mit Differenzen ist nicht immer leicht, besonders dann nicht, wenn Meinungen geäußert werden, die den eigenen Überzeugungen und Werten zuwiderlaufen. Unsere Überzeugungen sind Teil unserer Persönlichkeit und so fühlen wir uns möglicherweise persönlich angegriffen. Dann entsteht leicht ein hinderlicher Kommunikationsnarzissmus, man hört nicht mehr aufmerksam zu, sondern lauert nur darauf, Gegenargumente zu finden und seine eigene Meinung zu bestätigen. Unterschiede werden dann zu trennenden Barrieren und dienen nicht als Anstoß für eine Weiterentwicklung. Um diesen Kommunikationsnarzissmus klein zu halten, kann es hilfreich sein, sich immer bewusst zu machen, dass es beim Zuhören nicht um einen selbst geht.

Natürlich gibt es auch Grenzen Brücken bauender Kommunikation, wenn durch Konflikte scheinbar mehr Vorteile zu erzielen sind als durch ein Miteinander, wenn Streit Aufmerksamkeit erhält und man glaubt, sich auf Kosten anderer profilieren zu können. Es sollte unser gemeinsames Anliegen sein, solches Verhalten zu benennen und einzugrenzen. Auf diese Weise fördern wir Kooperation statt Konfrontation und somit die Macht des Miteinander.

Gelebte Demokratie beginnt in den Kommunen. Wir sind kein fernes, anonymes Parlament, sondern vor Ort jederzeit ansprechbar. Die Stadtversammlung und die Ausschüsse tagen öffentlich. Transparenz ist somit gewährleistet.

Wir leben heute in einer ganz besonderen, pandemiebedingten Zeit, in der Demokratie infrage gestellt, ja bekämpft wird. In der aktuellen Ausgabe der FAZ am Sonntag (vom 25.4.21) schreibt der besonnenen Journalist Frank Pergande „Wie aber lässt sich der um sich greifenden Gleichgültigkeit, ja Feindseligkeit gegenüber der Demokratie begegnen?“. Demokratie wurde von Bürgern in langen Kämpfen erworben und Demokratie kann nur gelingen, wenn sie an der Basis gelebt wird, die das Fundament darstellt. Ist das Fundament brüchig und instabil, so stürzt auf Dauer jedes Gebäude ein. Unsere Aufgabe ist es, sich entschlossen für die verfassungsmäßig verbürgten Grundwerte alle Menschen einzusetzen.

An dieser Stelle möchte ich auch meiner Freude Ausdruck verleihen, dass in unserer Gemeinde wieder ein Ausländerbeirat gewählt wurde. Idstein ist bunt! Der Ausländerbeirat wird seine Interessen in die Beratungen und Entscheidungen der Ausschüsse und der Stadtverordnetenversammlung einfließen lassen. Können wir für diese Menschen Heimat sein? Auf jeden Fall können wir ein Ort der Ankunft und des anerkannten Seins für Menschen mit Migrationshintergrund sein. Für viele Migranten wird Heimat als Erinnerungsort ihrer Eltern zugleich zum Nichtort bezüglich der Vermittlung von Kultur und Identität. Sie benötigen Unterstützung für ihre Identität, damit die Migranten und Migrantinnen und die nachfolgenden Generationen die Möglichkeit erhalten, den langfristig auferlegten Status Migration zumindest gefühlt aufzugeben und einen für sie sicheren Platz einzunehmen. Quasi Heimat als Identitätsgehäuse.

Grundrechte sind für alle Menschen da, dies garantiert unsere Demokratie. Eine kleine aber lautstarke und mitunter aggressive Minderheit stellt die Demokratie infrage, an vielen Orten der Welt, aber eben auch hier in Deutschland. In bestimmten Bereichen erleben wir einen Siegeszug des absoluten Ich-Denkens und damit einher geht mitunter die empfindungslose Zerstörung des Lebens anderer. In Krisen aber ist für eine Gemeinschaft nicht Egoismus und Konkurrenz entscheidend um zu überleben, sondern Nachbarschaftshilfe, Mitmenschlichkeit, Wertschätzung und Kooperation. Wir als Stadtverordnete sollten einen wirkungsvollen positiven Beitrag zur Stärkung der Demokratie und zur Vertrauensbildung in den Staat durch einen wertschätzenden Umgang miteinander leisten. Wir sitzen in einem Boot, wenn demokratiefeindliche Personen den Staat und seine hunderttausenden Helfer angreifen. Zu diesen staatlichen Helfern zählen wir alle, diese Gemeinsamkeit ist offensichtlich. Menschen, die ihre Abneigung zum Gemeinschaftsgefühl steigern und sich dann auf Entsolidarisierungskundgebungen solidarisieren, identifizieren staatliche Helfer leicht als Täter, was natürlich auch hier in Idstein passieren kann. Dabei braucht der Staat zu seinem Funktionieren solidarische Staatsbürger, Bürger wie Sie, die sich in staatlichen Organen engagieren. Wir haben starke Institutionen und stabile Parteien und ein gefestigtes Rechtssystem, da müssen wir natürlich vor 10% extrem Wählenden keine Angst zu haben. Insofern gibt es keine Krise der Demokratie (90% befürworten sie!), aber man/wir müssen etwas tun. Wir müssen Demokratie leben!

Begegnen wir auch engagiert der modischen „Staatsversagen“-Rhetorik auf Demonstrationen und in den Medien und freuen uns über unsere freie Presse – auch hier in Idstein, die sich solcher pauschalen Polemik nicht anschließt. In der aktuellen und wohl noch lange andauernden Krise ist unser Verhalten existentiell. Unser Verhalten ist Teil einer Ethik des Zusammenlebens, der Solidarität, der Hilfsbereitschaft, der Verpflichtung, Schwächere zu schützen, des Verantwortungsgefühls. Haltungen derer unsere liberale Demokratie dringend bedarf.

Als Stadtverordnete haben wir in den nächsten Jahren die Gelegenheit, ein positives Beispiel im Einsatz für die Gesellschaft zu sein durch solidarisches, vertrauensvolles, wertschätzendes Verhalten im Umgang miteinander. Wir handeln lokal aber mit überregionaler Wirkung für die Stärkung unserer Demokratie. Wir lehnen schwarz-weiß Denken ab und setzen an seine Stelle bunte Vielfalt. Bitte machen sie alle mit!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. „